Kulinarische Exkursionen: Calvados – das Beste vom Apfel

Cidre, Calvados und Camembert, das sind die drei berühmten Cs der Normandie. Alle drei Spezialitäten können Sie mittlerweile auch in Deutschland kaufen. Um den wahren normannischen Geschmack auf der Zunge zu haben, müssen Sie aber die Produkte hier vor Ort verkosten, direkt beim Erzeuger, den normannischen Wind um die Nase.

Das gilt in besonderer Weise für den Calvados. Die Handwerksprodukte der Region sind mit der industriellen Ware in deutschen Supermarktregalen nicht zu vergleichen. Ursprünglich wurde der Calvados als „Eau de Vie“, Wasser des Lebens, bezeichnet. Von jeder Brennerei schmeckt er ein kleines bisschen anders, jeder hat sein ganz eigenes, individuelles Rezept.

Äpfel für Calvados sind teilweise extrem sauer!

Kleine Geschichte des Calvados

Hätten Sie es gewusst? Der Calvados stammt ursprünglich… vom Cotentin. Während in Deutschland die Bezeichnung für das Getränk mit dem Département oft gleichgesetzt wird, stammt die Ursprungsversion „Eau de Vie de Sydre“ von der Halbinsel. Vater der Spirituose war ein junger Adliger, Gilles de Gouberville aus Le Mesnil-au-Val, einem Weiler im Val des Saire. Der kultivierte Edelmann war nicht nur im Umgang mit Schwert, Armbrust und Pflug vertraut, er galt auch als äußerst experimentierfreudig. In seinem Tagebuch erfasste er Alltägliches, wozu auch das Destillieren von Apfelwein zu Branntwein gehörte – das erste schriftliche Zeugnis des normannischen Schnaps. Der Gutsherr erhielt ein königlich verbrieftes Brennrecht für seine Kreation. Indes: der erste Brenner, der den Apfel in wahren Götternektar verwandelte, war er wohl nicht. Schon die Gallier der Normandie und Bretagne sollen das Geheimnis gekannt haben.

So richtig Schwung erhielt das Lebenswasser erst mit der französischen Revolution, die es jedem Bauern erlaubte, die von ihm angebauten Äpfel auch zu brennen, wenn auch nur im begrenzten Maße: Zehn Liter wurden den Landwirten pro Jahr zugestanden. Im 19. Jahrhundert setze sich die Bezeichnung für das Département Calvados für den Apfelbranntwein durch. Dass dieser eine A.O.C., eine geschützte Herkunftsbezeichnung, erhielt, ist indirekt der deutschen Besatzung Frankreichs zu verdanken. Denn die deutsche Militärverwaltung verfügte über die Beschlagnahmung sämtlicher Produktionsstätten von Spirituosen. Ausnahmen galten nur für den Cognac und den Armagnac, deren Herstellung einer besonderen Kontrolle unterlag. Der damalige Landwirtschaftsminister war Normanne und strebte einen vergleichbaren Schutzstatus für das Nationalgetränk seiner Heimat an. So wurde 1942 dem Calvados Pays d’Auge die Anerkennung als „Appellation d’Origine Contrôlée“ (AOC) zuteil; der Calva aus den anderen Regionen der Normandie durfte sich immerhin mit einem Appellation d’Origine Réglementée“ (AOR) schmücken.

Doch der Krieg, oder vielmehr das Ende des Krieges, änderte alles. Viele Obstbaumplantagen waren durch das Gemetzel zwischen alliierten und deutschen Truppen zerstört worden. Und die Menschen hatten ganz andere Sorgen, als die Bewahrung flüssigen Kulturerbes. Gebrannt wurde wohl eher wie in früheren Zeiten nur für den Hausgebrauch. Außer in der Gegend von Domfront in der Orne, wo Schwarzbrennerei und Alkoholschmuggel noch lange Jahre an der Tagesordnung waren.

Der Calvados – ein normannisches Kulturgut

Das Bild hat sich heute gewandelt, die normannischen Brenner legen großen Wert auf die Herstellung exzellenter Obstbrände, die jedem Vergleich mit Cognac oder Whisky standhalten.

Heute gibt es drei geschützte Herkunftsbezeichnungen (A.O.C.) für den Calvados:

  • Calvados,
  • Calvados Pays d’Auge und
  • Calvados Domfrontais.

Letzterer zeichnet sich durch einen hohen Birnenanteil von mindestens 30 Prozent aus. Damit ein Brand Calvados heißen darf, muss der gesamte Produktionsprozess von der Ernte über die Aufbereitung bis zu Destillation komplett im Herstellungsgebiet erfolgen. Von den 110 in der Normandie wachsenden Apfelsorten sind nur 48 für die Herstellung von Calvados offiziell zugelassen. Idealerweise besteht die Mischung für den charakteristischen Calvados-Geschmack aus 40 Prozent süßen, 40 Prozent bitteren und 20 Prozent sauren Äpfeln. Zwischen Most und Calvados liegen zwei Brennprozesse und eine mehrjährige Lagerung in Eichenfässern, die jedem Destillat erst seinen unverkennbaren Geschmack verleiht. Je länger ein Calvados reifen darf, desto runder und weicher wird sein Geschmack.

Traditionelle Eichenfasslagerung

Das Getränk Calvados steht heute für das Bewahren des kulturellen Erbes. Viele Brenner fahren mit ihrer mobilen Destillerie noch über Land, um die Äpfel der Bauern direkt auf dem Hof zu brennen, doch diese Tradition ist vom Aussterben bedroht. Mit etwas Glück können Sie aber im Winter und Frühjahr in den Sümpfen rund um unser Ferienhaus Maison les Grues noch solche mobilen Brenner entdecken, die vor Ihnen durch die Landschaft zuckeln.

Calvados richtig genießen

Doch genug der Theorie, wann und wie trinkt man Calvados eigentlich? Waschechte Normannen werden Ihnen sagen, dass Calvados zu jeder Gelegenheit genossen werden kann. Schließlich werden dem Calvados fast magische Kräfte zugeschrieben und er gilt als Allheilmittel für vielerlei Beschwerden. Traditionell wird er aber zwischen den Gängen eines Menüs gereicht, Kenner sprechen vom „normannischen Loch“, das Platz für die nächste Speise schaffen soll. Aber auch als Digestif eignet sich der Calva. Die optimale Trinktemperatur liegt bei 16 bis 18 Grad. Zum Trinken sollten Sie sogenannte Noising-Gläser oder spezielle Calvados-Gläser benutzen. Letztere verfügen im Idealfall über einen Deckel, sodass sich die verschiedenen Aromen im Glas zunächst ganz entfalten können. Stürzen Sie den edlen Tropfen auf keinen Fall einfach runter, sondern lassen Sie sich Zeit, den besonderen Geist Ihres Calvados zu riechen und langsam auf der Zunge zergehen zu lassen.

Die besten Calvados-Erzeuger rund um unser Ferienhaus in der Normandie

Wenn Sie in unserem Ferienhaus Maison Les Grues Urlaub auf dem Cotentin machen, können Sie bei der Wahl eines Calvados-Produzenten nicht viel falsch machen. Wenn Sie nicht sicher sind, welches Produkt oder welcher Reifegrad Ihnen am besten schmeckt, fahren Sie am besten auf einen Wochenmarkt in der Nähe. An den Ständen ist probieren ausdrücklich erlaubt! Wenn Sie über Land unterwegs sind, und Schilder am Wegesrand mit „Calvados“ sehen, lohnt ein Abstecher auf den Hof in jedem Fall.

Typischer Stand auf dem Wochenmarkt. Ohne Verkostung kommt man da nicht vorbei!

Darüber hinaus empfehlen wir Ihnen folgende Erzeuger der Region:

Herout
36, route de Cantepie
50500 Auvers

Pierre Guillotte
Vieux Presbytère
12 La Févrerie,
Bolleville
50250 La Haye

Domaine de Rugueville
1 Carrefour des Hougues
50580 Portbail

Text: Barbara Homolka / chiennormandie.de
Fotos: Barbara Homolka, Tanja Kranich